Moskau versucht, im Nahen Osten wieder mitzumischen
Am 29. Juli d.J. schlug Moskau erneut die Einberufung einer internationalen Konferenz zwecks Lösung des Nahostkonflikts vor. Die entsprechenden Moskauer Vorschläge enthalten — im Vergleich zu früheren sowjetischen Initiativen — substantiell nichts Neues. Unmittelbar nach Verlautbarung des Kreml-Vorstosses entsandte Moskau Wladimir Poljakow, den Chef der Abteilung für Nahostfragen am Aussenministerium der UdSSR, nach Amman und Beirut. Poljakows Mission bestand darin, die Unterstützung Jordaniens und des Libanons für die Sowjetintiative zu gewinnen.
In Amman erklärten die Sowjets ihre Bereitschaft, “libanesische Regierungstruppen zu bewaffnen” sowie “libanesische Waren zu importieren, um das Land in wirtschaftlicher Hinsicht zu unterstützen”.
Einen sichtlichen Erfolg erzielten die Sowjets in Ägypten. 1981 hatten die sowjetisch-ägyptischen Beziehungen ihren Tiefstand erreicht. Der Sowjetbotschafter musste Kairo verlassen. Am 7. Juli dieses Jahres wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern in vollem Umfang wiederhergestellt. Der Kreml versprach der Kairoer Regierung, fast sämtliche Schulden Ägyptens zu erlassen. Sowjetische Experten und Berater sollen schon wieder an den Nil kommen, um bei etlichen Industrie- und Bauprojekten Hilfe zu leisten.
Im vergangenen Sommer kam es auch zu einer sowjetisch-kuweitischen Vereinbarung, in der sich Moskau bereit erklärte, dem Öl-Emirat Raketen im Gesamtwert von 320 Millionen Dollar zu liefern. Kuweit wandte sich an den Kreml, nachdem Washington die Lieferung von Stinger-Raketen verweigert hatte. Von besonderem Interesse ist Moskaus Ziel, die Beziehungen zu den sog. gemässigten arabischen Staaten zu verbessern. Die Bemühungen des Kremls richten sich in dieser Hinsicht nicht nur auf Ägypten, Jordanien, Kuweit und Nordjemen, sondern auch auf Saudi-Arabien. Nordjemen (die Jemenitische Arabische Republik) hat unlängst mit Moskau einen 20jährigen Freundschaftspakt abgeschlossen (zwischen der Sowjetunion und Südjemen besteht ein solcher Vertrag schon seit längerer Zeit). Laut Berichten zuverlässiger Nahostbeobachter ist Moskau bemüht, in Saudi-Arabien Fuss zu fassen. Angeblich bestehen zwischen den Sowjets und den Saudis geheime Kontakte.
Während die Sowjets eine Annäherung an die “gemässigten” arabischen Staaten anstreben, festigen sie ihre Beziehungen zu den militanten Staaten der arabischen Welt — zu Syrien, dem Irak und Libyen. Seit Ende 1982 hat Moskau Syrien mit modernsten Waffen ausgerüstet (T-72-Panzer, SAM-5- und SAM-21-Raketen). Auch der Irak und Libyen sind nach wie vor weitgehend auf sowjetische Waffenlieferungen angewiesen.
Was den irakisch-iranischen Krieg anbetrifft, bestehen zwischen Moskau und Damaskus Meinungsverschiedenheiten. Die Sowjets unterstützen den Irak, mit dem Moskau 1972 einen Freundschaftspakt unterzeichnet hat. Die Syrier leisten dem Iran Beistand. Dessenungeachtet ist Hafez elAssad, der syrische Alleinherrscher, einer der engsten Verbündeten des Kremls im Nahen Osten. Die Ursache hierfür liegt auf der Hand — Assad braucht die massiven sowjetischen Waffenlieferungen.
Die Bemühungen der Sowjetführung, ihre Einflußsphäre im Nahen und Mittleren Osten zu erweitern, werden von einer aggressiven Propagandakampagne begleitet. Radio-Moskau strahlt täglich antiisraelische und antiamerikanische Sendungen in zahlreichen Sprachen in die Welt aus. Die Sowjetpresse hat in jüngster Zeit ihre antizionistischen Angriffe verstärkt. Hierbei handelt es sich um eine bewusst betriebene Hetze. Israel, das einzige demokratische Land der nahöstlichen Region, wird von den sowjetischen Massenmedien als “faschistischer Staat” bezeichnet. Führen wir einige konkrete Beispiele an. In einem der September-Hefte der in verschiedenen Sprachen erscheinenden Moskauer Wochenzeitung “Nowoje Wremja” (Neue Zeit) schreibt ein gewisser W. Zoppi u.a. folgendes: “Der Zionismus wird vielerseits als gegenwärtige Spielart des Faschismus betrachtet. Eine solche Betrachtungsweise entspricht voll und ganz der Wirklichkeit. Hierbei darf jedoch nicht übersehen werden, dass der Faschismus als solcher — einschliesslich des Nazismus und Zionismus — eine Erscheinungsform des Imperialismus ist.”.
Bei Aufzählung von Orten, wo Massenmord verübt wurde, nennt Zoppi z.B. folgende Tatorte: Oradour, Lidice, Auschwitz, Babij Jar, Songmi, Sabra, Schatila und Grenada. Die Tendenz und Inkongruenz einer derartigen Aufzählung bedarf keines weiteren Kommentars. Im gleichen Artikel schreibt Zoppi: “Genozid ist die Grundlage der Theorie und Praxis des Zionismus”.
Nicht nur die Verlogenheit dieser Hetzschrift fällt dem Leser ins Auge, sondern auch die fast groteske Ignoranz des sowjetischen Propagandisten. Seiner Ansicht nach befürwortet der israelische Premierminister Schimon Peres die Gusch-Emunim-Bewegung aufs eifrigste. Solch eine Verdrehung der faktischen Situation wird von den sowjetischen Massenmedien tagtäglich in vielen Sprachen in die Welt hinausposaunt. Auf diese Weise hofft die Sowjetpropaganda, die Sympathien der arabischen Länder zu gewinnen.
Im gleichen September-Heft der Wochenzeitung “Nowoje Wremja” behauptet L. Medwedko, ein sowjetischer Historiker, dass die USA und Israel vor nichts zurückschrecken, um die Flammen des irakisch-iranischen Kriegs weiter zu entfachen. Dem Sowjetleser wird hierbei verschwiegen, dass die UdSSR den Irak mit hochmodernen Waffen beliefert.
Wie üblich verzerrt die Sowjetpropaganda allgemein bekannte Tatsachen und unterschlägt Fakten, die der Strategie und Taktik des Kremls widersprechen.
L.K.
[Aufbau Nov. 2, 1984. p.7]