Diese Katze ist im Sack gekauft
“P. S. Your Cat is Dead” im Golden Theater
Anspruchsvolle Zuschauer, die bei einem Theaterbesuch ästhetischen Genuß suchen, verlassen die Aufführung von James Klrkwoods Lustspiel “P.S. Your cat ls dead”, das zur Zelt im “Golden Theater” über die Bretter geht, mit gemischten Gefühlen. Das Spiel der Gestalter der Hauptrollen ist exquisit, aber wohl so mancher Besucher der Vorstellung findet keinen Gefallen an den antikünstlerischen, wenn auch satirisch bedingten Detailschilderungen des Stückes.
Das Sujet der Komödie Ist durchaus simpel. Die Handlung spielt in einer Silvesternacht in New York City. Jimmy, ein Schauspieler, hat an diesem Tag eine Pechsträhne. Er ist seiner Arbeit am Broadway verlustig gegangen, ein von ihm verfaßtes Manuskript ist ihm abhanden gekommen, er hat Krach mit Jane, seiner Geliebten, die ihn verläßt, und dazu kommt noch, daß seine Katze tot ist.
Vito, ein schwuler (und zugleich bisexueller) Tunichtgut, bricht bei Jimmy ein, wird von ihm überwältigt und gefesselt. Hier stellt es sich heraus, daß es Vito ist, der das Manuskript gestohlen hat. Etwa zweieinhalb Stunden lang dauert das mit raffinierten Obszönitäten gepfefferte Zwiegespräch zwischen dem gefesselten Einbrecher und dem gescheiterten Künstler. Der homosexuelle Dieb liegt fast während des ganzen Verlaufs der Bühnenhandlung mit entblößtem Hinterteil über einem Waschbecken. Ein Teil des Publikums ergötzt sich an dieser bizarren Situation und zollt dem “Einfallsreichtum” des Autors und des Regisseurs reichlichen Beifall.
Die eigentliche “Pointe” besteht schließlich darin, daß Jimmys Bekannte nach einer fröhlich verbrachten Sllvesterfeier während eines kurzen Abstechers in der Junggesellenwohnung keinen Zweifel an der Intimen Natur der Beziehungen zwischen den beiden Männern hegen (einer der Besucher Ist übrigens auch homosexuell). Wahrlich “geistreiche” Spaße werden heutzutage am Broadway getrieben!
Das Stück (1972 auch in Romanform erschienen) ist hypernaturalistisch. Mit Kunst im allgemein akzeptierten Sinn dieses Begriffs hat es wohl kaum etwas gemein. Dank dem vortrefflichen Spiel der Hauptdarsteller Keir Dullea (in der Rolle von Jimmy) und Tony Musante (Vito), die dem Publikum durch frühere Bühnen-Rollen, ebenso wie vom Film und TV her vertraut sind, tritt der antiästhetische Charakter des Stückes weniger kraß in Erscheinung.
Auch die übrigen Schauspieler — darunter Jennifer Warren als Kate und Peter White in der Rolle von Fred, Kates Freund—, offenbaren Format, aber das Stück bedeutet keineswegs eine zusätzliche Bereicherung der Spielzeit zum Saisonschluß. L.K.
[N.Y. Staats-Zeitung u. Herold, Apr. 7, 1975. p. 99]